Unser Beitrag zur Blogparade „Was hast du da draußen entdeckt, was nicht einfach „nur“ Natur ist?“
Mehr durch Zufall sind wir über den Aufruf von KulturNatur zur Blogparade „Mein Outdoor-Kulturtipp“ gestoßen. Nadine, der kreative Kopf hinter dem Blog, stellt dabei die Frage: „Was hast du da draußen entdeckt, was nicht einfach „nur“ Natur ist?“
Natürlich sind uns da sofort ein paar tolle Beispiele allein aus dem vergangenen Jahr eingefallen. Aber einfach nur einen der hier veröffentlichten Artikel zur Blogparade verlinken? Und wenn ja, welchen? Das waren die Fragen, die uns nach dem ersten Enthusiasmus in den Sinn gekommen sind. Und dann haben wir uns einmal hingesetzt und die 28 im letzten Jahr gemachten Touren, die es in den Blog geschafft haben, noch einmal genauer angesehen. Wir haben sie dahingehend abgeklopft, bei welchen wir denn nun tatsächlich da draußen etwas entdeckt haben, das nicht „nur“ Natur ist.
Ganz ehrlich, wir waren selber überrascht über das Ergebnis: von 28 geposteten Touren hatten 9 fast schon einen kulturellen Schwerpunkt, weitere 9 hatten zumindest einige mehr oder weniger ausgeprägte Berührungspunkte mit Kultur.
Wobei man jetzt natürlich schon wieder trefflich darüber diskutieren könnte, was Kultur eigentlich genau ist. Wer sich mit dieser Fragestellung näher auseinandersetzen will, dem sei Blogparade #KultDef ans Herz gelegt, in der Tanja Praske schon im vergangenen Jahr genau das hinterfragt hat. Wir wollen uns hier aber der Einfachheit halber an die recht allgemeine Definition halten, wonach Kultur gemeinhin als etwas von Menschen gestaltetes verstanden wird. Also wie Nadine von KulturNatur meint, eben nicht “nur“ Natur ist.
Aber ist „Kultur“ in der Natur dann nicht schon der von Menschen angelegte Wanderweg? Und begegnet uns Kultur in der Natur dann nicht ständig, solange wir uns nicht querfeldein durch wirklich unberührte Natur schlagen? Vielleicht. Aber soweit wollen wir dann doch nicht gehen. Allerdings ist es tatsächlich so, dass auch uns auf unseren Wanderungen die Kultur mal mehr und mal weniger deutlich „über den Weg springt“. Manchmal sind es lediglich kleine von Menschen gemachte und entlang des Weges aufgestellte Skulpturen. Manchmal sind es auch schon ganze Bauwerke wie Burgen oder Kirchen, die teils auch das Ziel einer Wanderung sind oder doch zumindest in deren Verlauf auch schon mal besichtigt werden. Und manchmal sind es weniger bewusste Hinterlassenschaften, als vielmehr einfach in der Natur zurückgebliebene Spuren menschlicher Nutzung wie prähistorische Höhlen, keltische Grabhügel oder Hohlwege.
Gerade wenn man wie wir mit (kleinen) Kindern in der Natur unterwegs ist, kann Kultur die Natur erst so richtig spannend machen. Und umgekehrt wird der vielleicht von den Erwachsenen auch gesuchte Kulturgenuss durch das gleichzeitige Naturerlebnis für die Kinder weniger präsent. Nun gehen unsere Kinder zwar von Haus aus auch gerne los und besichtigen Museen oder Kirchen. Wir wissen aber auch, dass das nicht selbstverständlich ist. Und wir sind uns auch bewusst, dass manche erwachsenen Kulturerlebnisse von Kindern im Grund noch gar nicht in ihrer ganzen Tiefe erfasst werden können. Und dann ist es doch toll, wenn gleichzeitig die ganze Familie auch noch ein tolles Naturerlebnis hat und so am Ende alle zufrieden von einem Ausflug zurückkehren, von dem jede(r) sein eigenes Highlight mitbringt.
Ein sehr gutes Beispiel für ein Kulturerlebnis für Erwachsene, das von den Kindern im Grunde gar nicht als solches wahrgenommen wurde, ist sicher unser Ausflug auf den Monte Piana im vergangenen September. Nach der Veröffentlichung hier im Blog und auf Facebook erreichten uns auch einige wenige Kommentare von Eltern, die meinten, dass sie sich solch eine direkte Konfrontation mit einem Kriegsschauplatz in Begleitung von (kleinen) Kindern nicht getraut hätten. Nun, unsere Kinder wollten weder genau wissen, was es mit den verbliebenen Schutzbauten auf dem Plateau auf sich hatte, noch hatten sie gar im Nachgang Albträume. Für sie war es einfach ein großes Abenteuer durch die engen Gräben mit den hohen Mauern zu laufen oder auch mal einen Tunnel zu erkunden. Gleichzeitig konnten wir Eltern, während wir uns an dieser kindlichen Unbefangenheit erfreuten, uns aber auch Gedanken über die dunklen Seiten der menschlichen Geschichte machen, deren Überreste eben heute noch auf dem Monte Piana zu sehen sind. Und zwischendurch wurde das alles noch von den wundervollen Ausblicken auf die umliegenden Berge wie die Drei Zinnen, den Monte Cristallo oder den Dürrenstein ergänzt. Mehr Kultur in der Natur geht eigentlich nicht.
Oder vielleicht doch? Ein ganz besonderes Kulturerlebnis für die ganze Familie war auch unsere Wanderung auf dem Natur- und Kulturlehrpfad am Dobratsch bei Villach. Hier führte uns unsere Route tatsächlich auf weiten Teilen über eine echte Römerstraße, stellenweise sollen ihre Anfänge sogar in keltische Zeit und somit weit über 2000 Jahre zurück reichen. Und wenn wir hier von „über eine Römerstraße“ schreiben, dann meinen wir das auch wörtlich. Das moderne Wege entlang dem nachgewiesenen oder vermuteten Verlauf historischer Routen angelegt werden, gibt es ja häufiger. In diesem Fall bewegt man sich aber tatsächlich auf denselben ausgetretenen und ausgemeißelten Felsen, über die schon Römer und Kelten ihre Waren über die Alpen transportiert haben. Stellenweise sind sogar noch die Spuren der Wagenräder zu erkennen, die sich als Rinnen in den Stein gefräst haben. Da bekommt man direkt eine ganz besondere Hochachtung vor der Leistung unserer Vorfahren.
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Auf den Spuren der Römer und der Natur am Dobratsch in Villach – Kärnten #alpeadriatrail #dobratsch #kärnten #napoleonwiese #quelle #römer #römerstraße #villac |
Überhaupt begegnen uns die Römer und ihren Hinterlassenschaften immer wieder bei unseren Wanderungen. Sei es bei einem kleinen Spaziergang rund um das ehemalige Römerkastell bei Pfünz oder über das Gurina Plateau bei Dellach. Dies sind nur zwei Beispiele, wo uns unsere Ausflüge bewusst an ehemalige römische Stätten geführt haben. In beiden Fällen handelt es sich im Grunde um eine Art Freilichtmuseum, ohne jetzt wirklich musealen Charakter zu haben. Es existieren keine modernen Umzäunungen und es wird auch kein Eintritt erhoben.
Gleichzeitig wurden aber an beiden Orten Bauten aus römischer Zeit wieder (teil)rekonstruiert, so dass man als Wanderer in und um diese Anlagen eine kleine Vorstellung der früheren Bebauung bekommt. Diese kann man nun einfach als in der Landschaft existent wahrnehmen oder man nimmt auch noch das zusätzliche Informationsangebot durch aufgestellte Hinweistafeln an. Auch hier ist also wieder für jeden etwas dabei, den reinen Wanderfreund, der sich an der Natur erfreuen kann, wie auch den Kultur- und Geschichtsinteressierten, der auch noch ein wenig über das frühere Aussehen der ihm heute präsentierten Natur erfahren kann.
Die bisher angeführten Beispiele von #OutdoorKultur gehören alle zu den erwähnten 9 Ausflügen in die Natur, die durchaus einen Schwerpunkt der Streckenführung oder auch der Besuchsintention bei dem großen Überbegriff “Kultur” hatten. Wo also die Natur, die Bewegung im Freien, fast schon das Beiwerk zum Kulturerlebnis war. Es gab aber auch die gleiche Anzahl an Touren, bei denen das “von Menschenhand erschaffene” nicht unser erklärtes Ziel war. Oft genug waren wir uns bei der Auswahl bzw. Festlegung der Streckenführung gar nicht richtig bewusst, dass wir auch Kultur entlang des Weges begegnen werden bzw. räumten ihr nur einen ganz kleinen Teil neben dem eigentlich gesuchten Naturgenuss ein.
Am extremsten ist uns in diesem Zusammenhang sicher unser verlängertes Wochenende auf der Anhalter Hütte in Erinnerung geblieben. Dieses war tatsächlich als reines Naturerlebnis geplant. Die Erschließung der Alpen also ein kultureller Vorgang, für den unser Hauptziel, die hochalpin gelegene Anhalter Hütte, ja durchaus auch ein Symbol ist, war für uns bei Planung und Durchführung überhaupt kein Thema. Das sich Menschen seit Jahrtausenden so hoch in den Bergen bewegen und heute wie selbstverständlich hier auch Hütten und Häuser bauen, war für uns in diesem Moment gar keinen gesonderten Gedanken wert. Diese Erschließung war für uns zu dem Zeitpunkt schlicht ein heute existenter Bestandteil der alpinen Kultur.
Bis wir am zweiten Tag am Berg in rund 2000 m Höhe beim Picknick an einem idyllischen Bächlein auf einer Almwiese in mitten einer riesigen Pferdeherde auf einmal nur noch bis knapp 50 cm hohen Mauerreste entdeckten. Plötzlich war unser Interesse an der geschichtlichen bzw. kulturellen Entwicklung dieses Gebietes geweckt. Immerhin konnte uns die Hüttenwirtin am Abend sagen, dass die Ruinen etwas mit dem lokalen Erzabbau zu tun hatten. Sobald wir wieder Zugang zum Internet hatten, recherchierten wir weiter zu dieser überraschenden Entdeckung. Wir fanden schließlich heraus, dass in dieser Höhe nur für einen relativ kurzen Zeitraum Erzabbau betrieben wurde, die eigentlichen Stollen lange in Vergessenheit geraten waren und die Gebäude, deren Überreste wir gefunden hatten, wohl als Schmelzhütte und Umschlagplatz genutzt wurden. Hier hatte man also die noch weiter oben abgebauten Erze für den weiteren Transport ins Tal vorzubereiten. So regte uns ein Zufallsfund bei einer Wanderung zu einer weitreichenden kulturellen Hintergrundrecherche an, an deren Ende mal wieder die Hochachtung vor der Leistung unserer Vorfahren stand.
Auch andere Wanderungen des vergangenen Jahres standen ursprünglich gar nicht oder nur schwach im Zeichen der Kultur. Auf den Geotrail in Laas zum Beispiel fiel unsere Wahl vor allem, weil wir uns tatsächlich auch sehr für die Geologie der Karnischen Alpen interessierten und uns dieser Rundweg in einer örtlichen geologischen Sammlung außerdem als besonders familienfreundlich empfohlen wurde. Einzig der hier ebenfalls erhaltene Hinweis auf die Möglichkeit entlang des Weges Schlackereste einer ehemaligen Eisenverhüttung zu finden, wies auf den kulturellen Inhalt dieser Wanderung hin.
Tatsächlich sind Natur- und Kulturerlebnis entlang des Geotrails aber relativ ausgewogen. Häufig gehen sie sogar ineinander über. Denn ohne das dieses Tal prägende Wasser hätte es die vielen Mühlen im Tal, von denen wir eine gleich zu Beginn des Rundwegs besichtigen konnten, nie gegeben. Das Wasser kann aber auch verheerend sein, wenn es z.B. immer wieder Muren auslöst, deren Flußkegel noch heute die Bebauung des Tals prägen. Gleichzeitig liefert das Wasser aber auch Energie, wie das 1922 errichtete Wasserwerk als dritte Station des Rundwegs oder das nur am Rande gestreifte historische Schaukraftwerk der AAE Naturstrom bezeugen. Und im Wasser kann man hier auch Schlackereste als letzte Überreste der hier im frühen 19. Jahrhundert betriebenen Hochofenanlage finden.
Auch bei der letzten hier nun als Beispiel aufzunehmenden Tour des vergangenen Jahres stand die Kultur ganz weit im Hintergrund der Planung. Zwar wussten wir, als wir die spannende Anfahrt zum Zollnersee auf uns nahmen, dass es auch in diesem Gebiet während dem 1. Weltkrieg zu heftigen Kämpfen gekommen ist, in Gedenken an deren Opfer die Zollner Friedenskapelle hier oben errichtet wurde. Und auf Grund der Beschreibung des hier angelegten Geotrails wussten wir auch, dass der Rundweg an einer vorzeitlichen Erzabbaustelle vorbei führt. Dennoch zog uns diesmal tatsächlich fast einzig und allein das Interesse an diesem einzigartigen Fenster in den geologischen Aufbau der Karnischen Alpen an diesen Ort. Und auch wenn wir zu Beginn mit der Friedenskapelle und zum Ende mit dem Erzloch Spuren menschlichen Wirkens auf unserer Runde begegneten, der Rest war, abgesehen von dem teils ausgetretenen Pfad und den seltenen Wegweisern, tatsächlich „nur“ Natur.
Dennoch wollen wir ganz bewusst mit diesem Ausflug in die Natur unseren Beitrag zur Blogparade #OutdoorKultur beenden. Ganz zu Beginn hatten wir uns Gedanken gemacht, dass es im Grunde kaum noch Natur gibt, die nicht auch zumindest in ganz kleinen Teilen vom Menschen beeinflusst, also im Grunde kultiviert ist und das man somit bei einem Naturererlebnis mit offenen Augen und offenem Geist eigentlich auch immer Kultur am oder auch auf dem Weg finden kann. Wahrscheinlich hätten wir daher auch gut 2/3 unserer im letzten Jahr veröffentlichten Artikel hier als Beispiele für nicht „nur“ Natur anführen können. Während unseres Rundgangs im Zollnersee Gebiet ist uns aber auch eine weitere Verbindung zwischen Mensch, Kultur und Natur bewusst geworden. Und aus diesem Grund ist auch dieser Ausflug für uns ein Outdoor-Kulturtipp. Denn nicht nur der Mensch beeinflusst, formt und kultiviert Natur. Die Natur selbst erschafft erst Kultur. Oder vielleicht sollten wir besser sagen Kultur- und Lebensräume. Erst die geologische Ausformung von Landschaften ermöglichte die Entstehung von unterschiedlichen Kulturen, ebenso wie die tägliche Auseinandersetzung mit den lokalen Naturkräften ihre weitere Entwicklung prägt. Und das ist es doch wieder, was für viele von uns den Reiz am Reisen ausmacht. Das Bekannte im Fremden zu suchen und im Fremden das Bekannte zu finden.
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Hallo Jens,
das ist ja mal was tolles, Kultur und Natur & Natur und Kultur zu verbinden. Du hast aber recht, Kultur begegnet uns überall in der Natur und umgekehrt. Vielen Dank für diesen informativen Artikel und die tollen Anregungen.
LG, Sandra
Klasse Tipps werden sicherlich die ein oder andere Tour mal nach laufen
Danke für den Kommentar. Wir wünschen dir viel Spaß beim Nachwandern